31.05.04

trans media

«Können Sie sich vorstellen...
...dass Sie von Ihrem Computer Ihre Hirnströme messen lassen und via Internet an ein Institut senden, welches Ihnen Klänge und Bilder zurückschickt, die Ihnen gut tun?»

Klaus Nicolai: Trans-Media-Akademie Dresden Hellerau - Institut für integrale Wahrnehmungs- und Medienforschung. In: Kunst und Künstlichkeit. Zum Verhältnis von Technologie und künstlerischer Kreativität. Hg. Frank Geißler. Pfau, Saarbrücken 2003.

Vorstellen kann man sich vieles. Und was schicken Sie mir, wenn ich mir genau das vorstelle?

Posted by afa at 23:59

30.05.04

«Von hier»

An einem Freitag vor Pfingsten sollte man keine Konzerte organisieren. Auch dass ein Ensemble Recherche spielt, auch dass ihr Programm «Von hier» heisst, hilft dann wenig. Wir – harter Kern der Basler Neue-Musik-Interessierten – waren da und haben uns nichts vorzuwerfen.
«Von hier» heisst in diesem Kontext nicht Basel, sondern Freiburg. Aus Freiburg stammt nicht nur das Ensemble, sondern auch alle Komponisten des Abends. (stammen = momentan leben und wirken in).

Alexander Grebtschenko versucht in seinem Stück Folgen. Folgen!, das in Uraufführung erklingt, etwas nicht so recht Folgenreiches: das Trio mit Flöte, Klarinette und Oboe erklingt gleichzeitig zu einer vorher eingespielten Version auf Tonband, der die Aufführenden als absolute Spur zu folgen haben. Natürlich erstaunt die perfekt ausgeführte Parallelität ebenso wie die kleinen Abweichungen zur regelmässigen Weckschelle dämmernden Hörbewusstseins werden. Die zweite Ebene, merkt der Komponist an, liegt in «Regeln, die sich gegenseitig beeinflussen, widersprechen und/oder teilweise aufheben». Das ist freilich zu abstrakt formuliert, um wirklich nachvollziehbar zu sein. So spannend das auch konzipiert scheint, so hölzern wirkt dieser Bläsersatz leider.

Von Oscar Garrido de la Rosa, Mitglied des Ensembles chronophobie, erklingt Trio (2001) für Oboe, Klarinette und Differenzton. Keineswegs der erste, der sich der Frage der Differenztöne annimmt, gelingt Garrido de la Rosa eine schöne Übung, die den Interpreten eine Menge Atem abfordert. (überhaupt stellen sich hier Fragen: wieso hört man Differenztöne erst ab einer bestimmten Lautstärke; haben DT’s eine Klangfarbe; gehören sie zum Bereich der Physik oder der Psychoakustik? Wer sich für die technischen Seiten dieser Fragen interessiert, kann dieses Projekt vergleichen).


Sebastian Claren, Feldman-Experte (ja, ein sehr schönes Buch!), Musikwissenschaftler, Komponist legt mit Potemkin 1: Baby Baby (2003/04) ein ambitioniertes Projekt vor, das sich auf Sergei Eisenstein beruft. Im Glanz der Möglichkeiten, die der Filmkunst eigen sind, möchten andere Künste und Künstler gerne mitschimmern. Gerne zeigt man sich technisch beeinflusst: «Schnitt! Montage!». Wie leicht und fundamental das danebengehen kann, zeigt momentan Olga Neuwirths Gastspiel in Basel. Claren macht das einerseits subtiler, indem er instrumentale Gesten auf Themengruppen des Films bezieht, unterliegt andererseits einem ähnlichen linearen Übersetzungsfuror wie Neuwirth. Kameraeinstellungen auf Lautstärkegrade zu übertragen, wie kommt man auf so eine Idee? Filmische Schnittfolgen unverändert in eine musikalische Dramaturgie zu verwandeln, so dass diese musikalisch sinnvoll und zusammenhängend bleibt, dürfte ein utopisches Unterfangen sein. Selbstverständlich hat Claren solche Fragen durchdacht, er schreibt einen klugen Text zu seinem Stück, der mir jedoch kaum hilft, aus dem, was da in verschiedenen Intensitätsgraden in die Ohren dringt, schlau zu werden.
Wird aus dem Projekt ein Zyklus? Haben wir nur einen Teil daraus gehört?

Zwei sehr schöne Stücke von Cornelius Schwehr runden die beiden Teile des Abends ab: acompañado (vice versa) (2002) für Violoncello und Akkordeon, und da capo (1986) für Oboe Violoncello und Klavier. Beide sind unaufdringliche, ausgewogene Strukturübungen, bei beiden lässt sich die Grundidee bereits aus dem Titel ablesen. da capo weist verschiedene Form- und Wiederholungsverläufe auf, die Instrumentalisten legen sich für jede Aufführung auf einen fest. (Schwehr zitiert Musil: "Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben".). In kurzen Anläufen - immer neu aufgenommenen Gesten - wird hier reflektiert, wie Vorausgegangenes Momentanes beeinflusst, bedingt oder verändert. Das ist eine Grundfrage musikalischen Strukturzusammenhangs, und es zeigt sich fruchtbar, diese einmal nicht formal anzugehen ("Form" hat immer das ganze im (Über)-Blick), sondern hörend abzuschreiten.

Posted by afa at 13:03

29.05.04

chiaroscuro

gefaehrt.JPG

(musste mich kurz von jeglichem sinnbelasteten Handeln freimachen. Danke für das Verständnis.)

Posted by afa at 19:50

fCA812r

Das heisst Folio 812 recto des Codex Atlanticus. Mir gefällt besonders die Interpretation als automa.

Posted by afa at 18:44

28.05.04

provincialis

«Ist die Quersumme aller Blicke aufs Meer das Meer?»

Markus Waldvogel:Philosophie der Provinz. Passagen Verlag, Wien 1995.

Sie fragen falsch, Herr Waldvogel. Sie müssen fragen, was ein Blick ist.

Ein kleines, schönes, veraltetes, wissenschaftskritisches Buch.

Posted by afa at 12:12

26.05.04

Versuche

Versuch über das Festhalten und über das Teilen. Über Kurven und Müdigkeit. Versuch über die Navigationsinstrumente des Schlafs. Sich selbst eine Form sein - und dann eine Methode finden, den Mittelpunkt zu bestimmen.

Posted by afa at 15:53

Qu'est-ce qui pense en vous?

«Tout!»

Posted by afa at 15:45

25.05.04

nach numerischen Gesichtspunkten

«Addition und Subtraktion sind "bösartig" und führen zur numerischen Instabilität, wenn die beiden Zahlen ungleiches (Addition) bzw. gleiches (Subtraktion) Vorzeichen haben und ungefähr gleich gross sind.

Multiplikation und Division sind "gutartige" Operationen.»

A. Angermann, M. Beuschel, M. Rau, U. Wohlfarth: Matlab-Simulink-Stateflow. Oldenbourg, München 2004.

Posted by afa at 15:13

24.05.04

Fluchten

Auf dem Brachland hinter dem Bahnhof von Sète sah ich einen Hund. Für einen Hund hielt später ein Mann auch meinen Rucksack, entsetzt zog er sein Kind weg. Wir klärten das Missverständnis dann aber. Es war dunkel, ich stand mitten in der Menge am Fluss, auf dem eine Art Turnier stattfand: Ruderboote hielten aufeinander zu, immer einer stand auf einer Art Podest, von dem er gestossen werden musste. Für diesen löblichen Brauch gibt es sicher einen Namen, aber ich habe ihn vergessen.
Das ist schon lange her, ich zog allein in Frankreich umher. (das reimt sich ziemlich ungeschickt). In Sète wollte ich nur eines: Paul Valérys Grab sehen. Ich dachte: das ist nun wirklich eine Pilgerreise. Es kam mir dabei immer jemand in die Quere, der hiess Georges Brassens. Drückend heiss war es, die Sonne brannte, wie man so sagt, ungebeten. Ich sass am Meer, direkt an einer Strasse, und hielt meine schwarzen Hosen für ein unlösbares Problem. Also zog ich mich wieder in den Schatten zurück, bestellte Eistee und wartete bis Wind kam, der einen grossen Sonnenschirm auf die Bistrot-Tischchen krachen liess. Dann ging ich zum Friedhof hinauf. Ich fand aber das Grab nicht. Die Pinien und der Blick auf das Meer waren ergreifend. Ich dachte, ich wäre allein, aber plötzlich hielten mich drei Afrikaner in perfekt sitzenden Anzügen an, die mich fragten, wo Valérys Grab liege. Ich sagte, ich hätte das gleiche Problem, und wir suchten gemeinsam weiter. Schlussendlich wurden wir fündig, ein Stein mit unscheinbarer Schrift, ich glaube, am Anfang einer kleinen Treppe. Wir stellten uns im Halbkreis auf, die drei begannen im Chor den «Cimetière marin» zu rezitieren; ich schämte mich furchtbar, dass ich das nicht auswendig konnte: ich ging sofort zum Bahnhof und fuhr in die Bretagne.

Posted by afa at 22:43

honoris causa

Kürzlich bekam ich von der Universität Harvard mehrere Medaillen. Natürlich wollte ich ganz bescheiden auf einen Hinweis darauf verzichten, doch dann übermannte mich doch der Stolz. Ich erhielt sie für meine hervorragenden Leistungen im Bereich Stipendiatin-iBook-Reparatur-Sekunden-vor-Abflug. Da haben sie in Harvard spezielle Auszeichnungen dafür, wie man weiss, nämlich die «Commemorative Chocolate Medallions».
Es ist die schönste akademische Anerkennung meines Lebens, und wird wohl auch die einzige bleiben.

«handcrafted» = «individually foiled in gold, silver or crimson».

Posted by afa at 12:04

Sterndeuter

«Les passages de comètes n'intéressent pas en lui l'astronome, mais le moraliste.»

Béatrice Bakhouche: Les textes latins d'astronomie. Un maillon dans la chaîne du savoir. Editions Peeters, Louvain-Paris 1996.

Die Römer besassen keine eigene Astronomie, sie schrieben nur bei den Griechen ab.

Posted by afa at 11:45

23.05.04

funikular

Wie stolz und aufgeregt die beiden Chauffeure in ihrem breiten Patois über ihren neuen Seilbahnwagen...funkelneu ist alles und zur Einweihung gibt es Gratisfahrten. Der Wagen hat nun ein Glasdach, orangegefärbtes Glas, das die Rebhänge draussen ins Abendlicht taucht. Unten angekommen, fragt man sich, ob das unfassbare Blau des Sees noch ein Netzhaut-Effekt der getönten Scheiben sei.
Früher, da gab es noch zwei Wagen, klapprige Ungetüme („Von-Roll“), von denen immer nur einer bedient war – und einmal bin ich, des ewigen Abwartens müde, über die Absperrung geklettert, habe durch ein Klappfenster die Türen entriegelt, bin eingestiegen und wunderte mich noch, dass so lange nichts ging...und oben versuchten sie verzweifelt, das Ding in Gang zu bringen, mühten sich ab, bis einer mit dem Auto herunterfahren musste, der sagte: bei entriegelten Türen geht natürlich gar nichts. Und an der Mittelstation – sein Fenster sanft gegen meins manövrierend – gabs dann eine Standpauke vom Chef und die stechenden Blicke von drei alten Damen – der Friseurtermin war natürlich hin.

Posted by afa at 21:30 | Comments (2)

22.05.04

Nachtstrom XIV

Ein weisser Hemdsärmel ragt aus einem schwarzen Jackett, die Hand in einer gekünstelten klangbegleitenden Geste. Die Finger krümmen sich leicht, während die Hand herabfällt und langsam, wie auf einer Schiene sich fortbewegend, vorwärtsgestossen, nach einem Regler greift. Dieser Regler ist allmächtig. Sähe man nicht gleichzeitig einen Fuss nach einem Effektgerät schnappen, wäre man geneigt, sich ganz diesem Regler anzuvertrauen. Dass der Daumen sich den restlichen Fingern entgegenstellen kann, ist gemeiner Meinung nach ein Vorrecht von Primaten. Das ist genau der Regler-Griff. Daumen und Zeigefinger greifen danach, der Regler rollt sich dann seitlich dem Zeigefinger entlang ab. Was sich zwischen meinen beiden Ohren abspielt, ist also nun in der Hand eines anderen. Es ist ein von Reglern geregelter Musikstrom, eine von Händen und Füssen und Atemluft getriebene Hektik, ein bisschen möblierte Zeit. Durch meterlange Verkabelungen, Filter, analoge Geräte muss eine Bassklarinette ihre Töne pusten. Es kommen ein paar Jazz-Takte, über die Jugendliche lachen müssen. Warum deren Stühle, mitten in die leiseste Improvisation hinein, so unruhig knarren, weiss ich schon: für sie muss es laut sein und loops haben. Wiedererkennbare, minutenlange, bullernde Rhythmen. Was für eine kleinliche Schadenfreude.
Gaudenz Badrutt und Christian Müller sind strøm. Strøm nicht Strom, das ist norwegisch. Noch genauer: <strøm>. Eingeklammert. Angesichts dieses Namens, einer Webseite, die shizophonic heisst, der unsäglichenSelbstbeschreibung („<strøm> glaubt an den heiligen Gral“) – diese Selbstironie unter modernen jungen Leuten! Eine Verpflichtung, Sie verstehen – passiert ein Wunder: ihre Musik gefällt mir.

Posted by afa at 13:27

Weltmarkt

«La storia è un marché aux puces, non un sistema.»
Eugenio Montale

Wenn es wieder einmal nicht geht, wie man will: sich diesen Satz laut vorsagen, und insbesondere an einer übertrieben italienischen Betonung von marché aux puces festhalten.

Posted by afa at 12:38 | Comments (0)

20.05.04

Diagnosen

«Spazieren mit Wandern zu verwechseln, ist bei den männlichen Mitgliedern eurer Familie erblich.»

Die beste Diagnose, die mir je gestellt wurde, kam von einem Professoren, der nur sagte "Zuviel Form, zuwenig Kraft", nicht ohne dann - mir die Worte aus dem Mund nehmend - anzufügen, bei ihm sei es gerade umgekehrt. Von der Wucht dieser Formel überrascht, schwiegen wir einen Moment, um dann gegenseitig in einverständiger kurzer Geste anerkennend mit der Zigarette auf den anderen zu deuten.

Posted by afa at 18:38 | Comments (0)

rythme cardiaque

«- Est-ce que tu penses qu'un musicien azerbaïdjanais a la même conception du temps musical qu'un musicien marocain ou qu'un musicien turc?

- Il faudrait faire comme les entomologistes qui étudient le rythme cardiaque des fourmis ou des hannetons pour voir si c'est le même...Apparemment, Ça ne serait pas le même...»

Le pérégrinations d'un musicien inspiré. Entretien avec Marc Loopuyt. In: Histoires de vies (Cahiers de musiques traditionnelles 15).

Posted by afa at 15:26 | Comments (0)

18.05.04

Sprachinstrument

«La main ou les doigts montrent, saisissent, empoignent – commentaire – repoussent, parfois accompagnent seulement le débit de la parole, marquant les chutes, purement métrique, et sans signification...
Il est remarquable qu’un instrument propre à exécuter des opérations bien définies, s’emploie aussi à parler. Aussi à soutenir la voix – à l’équilibrer – et aussi à jouer avec la figure, avec elle-même, avec un couteau, pour répondre à des excitations indéterminées = dont le motif n’est pas inventé.»
Paul Valéry. Cahiers 1894-1914, VI, 40.

Posted by afa at 19:06 | Comments (0)

17.05.04

zuspielen, zuhören

Eine Reihe äusserst interessanter Stücke in der Gare du Nord: Christoph Bösch (Flöte), Daniel Buess (Schlagzeug) und Jürg Henneberger (Klavier) spielen als Subensemble des Phoenix Neuwirth, Dolden, Furrer-Münch und Odeh-Tamimi.

Olga Neuwirths Verfremdung/Entfremdung (2002) für Flöte, Klavier und Tonband ist ein doppelbödiges Spiel mit dem gerade in der Live-Elektronik so selbstzweckhaften Begriff der Interaktion. Wird dort der Klang in Echtzeit bearbeitet, simuliert Neuwirth Interaktives nur mit einem aufgezeichneten Band, das den Spielern beständig die Vervielfachung des eigenen Instruments vorspiegelt, sie aber auch zu einer äusserst genauen zeitlichen Ausführung ihres Parts zwingt. In sechs Pausen ist nur das Band zu hören: hier wird der Klavierklang elektronisch in einen Flötenklang verwandelt («morphing»). Was den Gesamtablauf bestimmt, ist freilich kein Kontinuum. Die wie besessen gehackten Cluster des Klaviers, das ganze Spektrum denaturierter Flötenklänge, flimmernde Flageoletts, Luftstrom-Blockaden, sind einzelne Klangereignisse, die man sich hörend aufsammelt. Nicht nur deshalb – und ich gestatte mir hier einen «Eindruck» -, scheint das Stück Muster von zerbrochenem Glas zu erzeugen, die sich immerfort wieder einschmelzen.

Paul Doldens Measured Opalescence (1986-1990) ist furchterregend. Auch hier kommt zu Klavier und Schlagzeug ein Tonband hinzu. Der Begriff der Opaleszenz zeigt sich selbstverständlich programmatisch: er bezeichnet das Aufleuchten verschiedener Farben, wenn bestimmte Steine (vor allem Opale) unter verschiedenem Winkel betrachtet werden. Das Untersuchungsziel der Komposition stellen also die wechselnden Klangkombinationen hinsichtlich ihrer Farbqualitäten dar. Das liesse ein gleichsam kristallographisch spektrales, ein sanftes Nachhör- und Nachhall-Stück vermuten. Doch Dolden setzt auf «Sound» und Lautstärke, mit einer stetig heranrollenden Klangwalze, in der man angstvoll nach Farbveränderungen sucht, ähnlich jenem zuredenden Zuhören, mit dem man einen pannengefährdeten Motor belauscht. Im Gestus eines Ritualtrommlers verausgabt sich der Schlagzeuger, blockartig bearbeitet er seine Instrumente: zuerst Pauken, dann Trommeln, Becken, Gongs. Die mal verlangsamten, mal beschleunigten patterns des Klaviers führen zu einem fortschreitenden Aufschäumen. Und ich habe zum Schluss – Vorsicht – den «Eindruck» einer ziellos torkelnden Maschine, deren rhythmische Veränderungen daher rühren, dass immer wieder ein Maschinenteil sich fortsprengt.

Die mittlere Ereignisdichte nimmt ab in Franz Furrer-Münchs eng/weit/lento (2001). Ein im guten Sinne bescheidenes, sehr durchgehörtes, transparentes Stück für Flöte und Schlagzeug. Ganz gut lässt sich hier zusehen, wie Klänge entstehen: Holzstäbchen auf Beckenmetall.
Um es mir plausibel zu machen, denke ich immer wieder: «Wiederholung macht nie plausibel.»

Auch Samir Odeh-Tamimi beginnt sein Erinnerungsstück («Li-Umm-Kámel», meiner Urgrossmutter in Erinnerung) mit Paukenschlägen. Das von Phoenix in Auftrag gegebene Stück erklingt in Uraufführung. Es ist von fundamentaler Erregtheit und kommt ohne elektronische Hilfszahlungen aus. Flöte, Klavier und Schlagzeug sind nun gemeinsam am Werk, wobei der Flötist zusätzlich eine grosse aufgehängt Springfeder mit diabolischem Klangpotential bearbeitet. Welche Erinnerungen freilich sind hier mitgenommen und eingewoben? Wo sind wir? Welche Art von Musik schreibt ein in Deutschland ausgebildeter und lebender israelisch-palästinensischer Komponist?
Nochmals zu hören!, unterbricht sich hier ein hilfloser Meinungsbildungsprozess. Aber wo und wann?


Ich sass dann noch eine Weile da, bei einem Bier und dreissig Kerzen, während ein afrikanischer Sänger – Mali, Senegal, was weiss ich – fugenlos und dröhnend den grossen Raum ausfüllte; und als ich ging, die Umrisse der Häuser schon tiefschwarz, aber darüber ein noch opalblauer Himmel mit Sternen.

Posted by afa at 13:56 | Comments (0)

15.05.04

Problem gesucht (in gutem Zustand)

«La vigne et le figuier sont deux solutions du même problème.»

Paul Valéry

Posted by afa at 12:39 | Comments (0)

13.05.04

vereiteltes

Wie man einmal gedacht hat, ein Thema gefunden zu haben, über das man doch gerne einen ganz experimentellen, ganz aus dem Denken heraus gedachten, freischwebenden Essay – Gedankenexperimente-, selbsverständlich in der Form eines ebensolchen schreiben könnte...
Und wie man dann den Entschluss, das ganz aus sich heraus, höchsten aus den Quellen, ganz im Experiment zu tun, im Nu mit jenem ankonditionierten Reflex zur Sekundärliteratur korrumpiert, und diese – man steigt jetzt schliesslich ganz ein, man macht sich nun zum Experten, der jederzeit und überall Gedankenexperimente durchleuchtet, voführt, vorturnt – nicht nur zu kennen, sondern zu besitzen hat; wie man also mit einer sauber erstellten Liste beim Buchhändler erscheint und dessen Bemühen insgeheim sogar ein bisschen geniesst...klar, nein, das ist nichts, was Sie da so an Lager haben, das muss man sich international bestellen, und da könnte zwar jeder kommen, aber kommen lassen kann sich das nicht jeder, man muss es sich ja erst einmal auch zutrauen, eine Kombination von Physik und Philosophie ist das, Quantenmechanik qua Sprachanalyse, kein Heine-Jahrbuch...
Und in den darauffolgenden Wochen, man kann ja nichts beginnen, da man auf die Bücher wartet, sich das Thema davonschleicht, einem so abhanden kommt, dass man fast bedauernd dann schlussendlich die Literatur bezahlt und in den Händen hält und immerhin noch interessiert durchblättert und erst Jahre später – durch ein anderes Buch – begreift, dass «Gedankenexperimente notwendig literarisch sind», durchwegs Erzählungen, narrative Dämonen, die «Wasser zum gefrieren bringen können, indem sie es anlächeln.»
Und jetzt, jetzt wieder, kann man lesen, abgekühlt, mit echtem und ruhigem Interesse.

Thomas Macho, Annette Wunschel (Hrsg.): Science & Fiction. Über Gedankenexperimente in Wissenschaft, Philosophie und Literatur. Fischer 2004

Eine Auswahl weiterer Literatur:

Roy A. Sorensen: Thought Experiments. Oxford University Press 1992.

Henning Genz: Gedankenexperimente. Wiley-VCH 1999.

Tamara Horowitz, Gerald J. Massey (Eds.): Thought Experiments in Science and Philosophy. Rowman & Littlefield 1991.

Christoph Meinel (Hrsg.): Instrument – Experiment. Historische Studien. GNT-Verlag 2000.

Posted by afa at 09:35 | Comments (1)

08.05.04

Geben und Sprechen

«Gedanken, die einfach durch Worte gezwungen werden, dass es sie gibt.»

Stefan Brotbeck: Dir gehört nur, was du geben kannst. Aphorismen. Pforte Verlag 2004.

Posted by afa at 17:21 | Comments (2)

Nehmen und Hören

«Ich habe es aus guter Hand gehört.»

Und sofort, nachdem man diesen Satz gehört hat, der Reflex, nach Hause zu rennen, das Grimm'sche Wörterbuch, Artikel «Hand» -, doch ruhig, ich habe den Artikel schon ein paar Mal gelesen, die «gute Hand» ist drin, geduldig.

Posted by afa at 17:09 | Comments (0)

06.05.04

«Alles ist...

...jetzt ultra.»

Goethe an Zelter.

Posted by afa at 18:01 | Comments (0)

03.05.04

Nur ein paar Stunden

Matlab und Simulink installieren. Dann ein Oracle-Installations-Versuch unter OS X, was in vernünftiger Frist allerdings nicht zu bewerkstelligen ist. Dann ein Oracle-Versuch unter FreeBSD, der auch fehlschlägt. Darauf - und das ist der eigentliche Witz - auf der FreeBSD-Maschine wieder Solaris installieren, nur damit man dieses sagenumwobene Oracle einmal ausprobieren kann. Dann friedlich nach erledigter Arbeit mit PostgreSQL bewerkstelligen, was man eigentlich hat tun wollen - und das mit dem glückhaften Gefühl, diesmal doch sehr zielstrebig vorgegangen zu sein.

Das nur mit Müdigkeit zu erklärende Wort «bewerkstelligen» bin ich auch nur zu streichen zu müde

Posted by afa at 23:46 | Comments (0)